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6. März 2005

Zum Verständnis dieses Textes

Auch dieser Text ist kein Tutorial sondern nur ein Wegweiser. Ich gebe keine endgültigen Antworten. Ich will niemanden bekehren. Ich weise lediglich auf Fehler und Fehlinterpretationen hin.

„Aber eine so grafiklastige Seite wie meine kann man nicht ohne Tabellen bauen!“

Mediengerechtes Gestalten im Internet

Das grundlegende Problem beim Webdesign liegt oft im nicht mediengerechten Gestalten. Es ist für mich einer der wichtigsten Grundsätze überhaupt, dass die Gestaltung eines Mediums dem Medium folgen muss. Ignoriert ein Designer die Charakteristik des Mediums, ist der Mißerfolg der Gestaltung nahezu vorprogrammiert.

Ein Plakat, das gestaltet wird wie eine Zeitschriftendoppelseite, wird seinen Zweck nie erfüllen können. Eine Anzeige im Layout einer Autobeschriftung wäre komplett unsinnig. Die riesige Fülle an Websites, die wie Flyer gestaltet wurden, beweisen mir, dass zahlreiche Designer die Charakteristik des Mediums Website ignorieren oder gar nicht verstanden haben.

Viele (handwerklich sehr eindruckvolle) Grafikorgien, die direkt aus Photoshop ins Internet entlaufen scheinen, haben nichts dort zu suchen. Sie sind meist auf feste Browerfenstergrößen „optimiert“ worden und bei genauerer Betrachtung stellen sie sich für die Betreiber als schlecht zu erweiternde und zu wartende Ungetüme heraus, die den Besuchern Zeit beim Download rauben und sich nur unzureichend bis gar nicht an die Lesegewohnheiten anpassen lassen.

Mit anderen Worten: Wenn ein Design nicht zufriedenstellend mit CSS umzusetzen ist, könnte das an einem grundsätzlich nicht mediengerechten Design liegen. Das Problem ist allerdings nicht nur auf den Mißbrauch von Tabellen beschränkt. Die Problematik lässt sich zusammenfassen mit:

Keine feste Breite

Seiten, die zum Beispiel mit Hilfe von Tabellen fest zusammengezimmert wurden – was aus vielen Gründen verwerflich ist – ignorieren den grundlegenden Fakt, dass Websites keine feste Breite haben. Jeder Besucher hat einen anderen Monitor, eine andere Grafikkarte und nutzt eine andere Auflösung. Außderdem hat jeder Besucher sein Browserfenster in einer anderen Größe aufgezogen.

Websites in festen Dimensionen werden in kleinen Browserfenstern über den sichtbaren Bereich hinausragen und in großen Browserfenstern zu klein erscheinen. Das wirft nicht nur gestalterische Probleme auf: Sobald Teile der Seite nicht mehr für den Besucher sichtbar sind, reduziert sich die Nutzbarkeit einer Seite eklatant.

Ein guter Ansatz zur gestalterischen Lösung dieser Aufgabe ist der Einsatz floatender Elemente, die entsprechend dem zur Verfügung stehenden Platz umbrochen werden. Ein gutes Design passt sich allen Breiten an.

Keine bestimmte Höhe

Websites haben in der Regel keine bestimmte Höhe. Die Höhe ergibt sich erst aus der Menge des Inhalts, dessen Fließverhalten und der zur Verfügung stehenden Breite im Browserfenster. Der untere Rand einer Seite kann also innerhalb des Browserfensters liegen, er kann sich aber auch weit außerhalb befinden.

Vor diesem Hintergrund muss ein Designer immer die Sinnhaftigkeit seiner Gestaltung hinterfragen:

Merke: Ein gutes Design hat keine Höhenangst.

Keine feste Schriftgröße

Ein Webdesigner hat in der Regel keine allzu große Kontrolle über die Schriftgröße im Browser seiner Besucher. Jeder Besucher kann die Schriftgrößen in seinem Browser nach seinem Belieben verändern – auch wenn das viele Otto-Normal-User nicht wissen. Lediglich der Internet Explorer hat in dieser Beziehung einen Fehler: Verwendet der Designer als Maß für die Schriftgröße die Einheit px, kann ein Besucher mit diesem Browser die Schriftgröße nicht verändern.

Ein Webdesigner sollte seine Schriftgrößen in relativen Einheiten wie %, em oder ex angeben. Das ermöglicht allen Besucher, die Schrift an ihre Lesegewohnheiten oder ihr Sehvermögen anzupassen.

Da der Besucher die Größe der Schrift verändern kann, kann der Besucher auch das Layout beeinflussen. Ein Layout, das die Variabilität der Schriftgröße nicht mit einbezieht, kann durch die Schriftgrößeneinstellungen im Browser der Besucher zerstört werden. Ein gutes Design funktioniert in nahezu allen Schriftgrößen!

Keine bestimmte Schriftart

Mittlerweile ist den meisten Webdesignern bekannt, dass nicht jeder Anwender alle Schriften, die es auf diesem Planeten gibt, installiert hat. Das wäre nicht nur eine ziemliche Last für jedes dieser Computersysteme – es wäre auch ein finanzielles Problem, denn die meisten Schriften kosten auch richtig gut Geld. Der standardkonforme Weg, Schriften für eine Website zu definieren liegt darin, eine Reihe von möglichen Schriftarten und als letzte Alternative eine generische Schriftfamilie vorzugeben.

Der derzeit sinnvollste Weg, mit dem Schriftartenproblem umzugehen, ist in meinen Augen, diese Einschränkung als Chance aufzufassen. Ein gutes Design funktioniert über eine große Breite an möglichen Variationen der Schriftarten!

Keine Farbverbindlichkeit

Viele Webdesigner übersehen, dass durch die große Bandbreite an möglichen Monitoren, Grafikkarten, Betriebssystemen und Nutzereinstellungen so etwas wie Farbverbindlichkeit oder einheitliche Farbtiefe im Internet gar nicht existieren kann. Wenn sich ein Designer bei der Gestaltung einer Seite allein auf Farbe verläßt, hat er schon verloren: Farbe ist relativ.

Kaum ein durchschnittlicher Computernutzer weiß, wie er seinen Monitor kalibrieren muss, um ein halbwegs verbindliches Farbergebnis zur erreichen. In der Regel sind die Monitore so eingestellt, dass „die Bilder irgendwie gut aussehen“. Von der beabsichtigten Farbwirkung kann das meilenweit entfernt sein. Und es gibt nichts, was ein Designer dagegen unternehmen könnte.

Auf einem Handheld oder einem PDA stehen in der Regel wesentlich weniger Farben zur Verfügung, als auf einem Desktop-System. Somit kann nicht mehr der volle Umfang der ursprünglich vorgesehenen Farben dargestellt werden. Das System wird eine nicht darstellbare Farbe durch Rasterung oder gar Ersetzung nähern. Die Farbwirkung kann auch hier weit von der beabsichtigten entfernt sein.

Ein Gestalter ist also gut beraten, sein Design nicht allein auf Farbwirkung beruhen zu lassen. Ein gutes Design funktioniert auch bei starken Farbbeschränkungen.

Keine Multimediaplattform

Auch wenn die Hersteller diverser Rich Media Plugins es gern anders darstellen, sind Websites keinesfalls das ideale Medium für multimediale Experimente. Das liegt vor allem daran, dass derartige Technologien nie Bestandteil von Browsern sind. Es sind eben Plugins, die bei Bedarf durch den Nutzer nachinstalliert werden müssen. In einigen Browsern sind bereits einige solcher Plugins mitinstalliert. Und auch innerhalb der Gruppe an Internetnutzern, die die nötigen Plugins bereits installiert haben, gibt es eine große Bandbreite an unterschiedlichen Versionen.

Für einen Designer gibt es also keine Sicherheit, dass die Plugin-Version, für die er beispielsweise eine Flashanimation entwickelt, tatsächlich bei einer großen Anzahl seiner potentiellen Besucher installiert ist. Ganz davon abgesehen, dass die meisten Gestalter ohnehin am liebsten für die neueste Plugin-Version entwickeln.

Wird ein Website-Besucher von einer Mitteilung im Stil von: „Diese Seite setzt ein Flash-Plugin der Version 7 voraus. Bitte installieren Sie die neuste Version!“ begrüßt, ist davon auszugehen, dass unbedarfte Nutzer wahrscheinlich nicht verstehen, was die Seite ihnen sagen will. „Was ist Flash? Was ist ein Plugin?“ wird dem Besucher wahrscheinlich durch den Sinn gehen. Möglicherweise fassen einige Besucher diese Mitteilung auch so auf: „Du bist nicht gut genug für diese Seite. Wir wollen nicht, dass Du diese Seite lesen kannst.“ In der Regel installieren nur sehr wenige Internetnutzer Plugins nach. Diese Besucher gehen der betreffenden Website verloren.

Der HTML-Standard sieht für Elemente, die keinen Text enthalten, eine Möglichkeit zum graceful degrade vor. Somit lassen sich multimediale Elemente durch Elemente der nächstniederigeren Anforderungsstufe ersetzen. Kann die Animation nicht dargestellt werden, wird das vorgesehene Bild eingesetzt. Kann oder soll dieses nicht dargestellt werden, wird es durch einen entsprechenden vom Autor vorgegebenen Text ersetzt. Ein gutes Design ist weitgehend technologieunabhängig.

Fazit

Auch im Internet ist Design kein Selbstzweck. Webdesign kann als medienspezifische Gestaltungsweise aufgefaßt werden, welche die Charakteristika von Webseiten als Grundlage begreift.

Einfach gesprochen: alles, was eine Website für möglichst viele Besucher und über eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichen technischen Voraussetzungen bei diesen nutzbar macht, ist gutes Webdesign. Wenn es dabei auch grafisch überzeugt – um so besser. Darin zeigt sich das wahre Können eines Webdesigners.